top of page

Tango Kolumne
Endlos-Volcada

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 30 DER REIHE VON LEA MARTIN

Wenn das Leben Tango mit Dir tanzt

Hast du Angst vor Männern...?!, fragt Luca, als ich bei der Volcada bremse. Irritiert schaue ich ihn an. Wie kommt er jetzt darauf...?! Und was geht es ihn an...?! Volcada ist auch ohne Angst vor Männern nicht leicht.

Bei einer Volcada lässt man (und frau) sich aus der (gerade gewonnenen) Achse gleiten, auf die/den Führende/n zu. Ein kleiner Impuls... und die Frau fällt. Wenn der Tanguero es drauf hat, schiebt er sie ein Stück, so dass die aus der Achse gekippte Folgende in Schräglage über die Tanzfläche fließt. Das sieht hingebungsvoll aus... und fühlt sich wundervoll an. Sofern man nicht - wie ich - eine eingebaute Bremse hat. Kaum spüre ich den Impuls, werde ich verkrampft. Geduldig lädt Luca mich ein, wieder und wieder, bis ich irgendwann, mit einem Gefühl wie als Kind auf dem Fünf-Meter-Brett, den reflexhaften Widerstand aufgebe und aus der Achse kippe.

Perfekt, lobt er und lässt mich gleiten. Er führt sanft und ist auf eine Weise stabil, dass verwunderlich ist, wieso sich die Bremsung bei der nächsten Volcada wiederholt. Du bremst, stellt Luca fest, vertrau mir einfach. Vertrau mir einfach. Was für eine Aufforderung. Verführerisch. Süß. Wie der Mann, der sie ausspricht. Und von dem ich weiß, dass ich ihm besser nicht zu sehr traue. Er ist einer von denen, die stets auf der Pirsch sind. Geübte Tänzer, attraktiv, heiß begehrt. Zuhause haben sie eine Frau, die kocht, putzt, wäscht und vielleicht (da allzu vertraut) ein wenig langweilig ist. Der Flirt mit einer Tanguera lockert den Alltag auf, wie Tango insgesamt dem Leben eine zauberhaft tröstliche Note verleiht. Er ist schön, weich, verständnisvoll. Wie die Arme, die Luca bietet. Für ein, zwei, drei Tänze. Vertrau mir einfach. Ich schließe die Augen, lasse mich fallen. In Tango-Arme, wie für mich gemacht.

Wir tanzen, flüstert es an meinem Ohr, wie ein Körper mit vier Füßen. Das höchste Tanguero-Lob. Überrascht blicke ich auf. Bin das wirklich ich...?! Die sich fallen lässt, im rechten Moment, dann wieder in ihre Achse zurückkehrt, als wäre nichts geschehen. Bin ich dabei, eine echte Tanguera zu werden...?! Luca schaut auf die Uhr. Er muss los, da morgen früh raus. Ich tanze noch ein wenig weiter, doch kein Tanz erreicht die Harmonie, die ich mit ihm gespürt habe, bei Volcadas, die ich endlos hätte weitertanzen können. Die Kunst, weiß ich, wird sein, diesen Tango-Moment aufzubewahren, ohne ihn zu überfrachten. Eine Endlos-Volcada kann man nicht tanzen. Auch wenn der Gedanke verführerisch ist... 

 

 

"Endlos-Volcada" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2017
Foto: tangokultur.info

 

>>zurück zur Rubrik "Tango-Kolumne"

bottom of page