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Tango Kolumne
Lass dich einfach fallen...!

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: TEIL 7 DER REIHE VON LEA MARTIN

Kolumne: Einblicke in die Berliner Tangoszene

Der Satz hat es in sich. Und wird ausschließlich von Männern gesagt. Meist haben sie wenig Interesse haben zu verstehen, was Frauen daran hindern könnte,sich einfach fallen zu lassen. Warum sollten sie auch?

 

Tangotänzer sind keine Therapeuten. Sondern wollen tanzen. Das geht ambesten mit einer Frau, die sich fallen lässt: in jeden Arm und jeden Führungsstil. Männer - das ist beim Tango nicht anders als im übrigen Leben - gehen gernedavon aus, alles richtig zu machen. Alles richtig zu machen ist bei ihnen genetisch bedingt. Wenn eine Frau sich nicht fallen lässt, liegt das nicht am Mann.

 

"Jede zweite Frau", werde ich aufgeklärt, "hat dieses Problem, nein, eigentlich sogar 80 Prozent." „Das ist ja fast tröstlich“, lache ich, bemüht, meine Fallen-lass-Schwäche mit Humor zu nehmen. "Nimm meine Kritik nicht persönlich“, legt mein Tanzpartner nach, „nur so kannst du ja etwas lernen."

 

Manche Männer verhalten sich auf der Tanzfläche wie im Job. Oder sie holen nach, was sie dort vermissen. Sie beurteilen, fordern, geben Anweisungen, kritisieren: und wundern sich, wenn eine Tanzpartnerin abspringt. Während ihre eigenen Arme und Beine diffus durch die Gegend steuern, machen sie dem Körper der Frauen umso klarere Ansagen: "Mach das doch einfach mal so, wie ich es dir zeige, das musst du doch verstehen."

 

Muss ich…?! Jeder Mensch versteht so viel, wie er verstehen kann. Bei einem Wortschatz von 200 Wörtern sieht der Dialog anders aus als bei einem Muttersprachler. Sich beim Tango fallen zu lassen hat mit Können, aber auch mit Vertrauen zu tun. Die eigene Achse zu halten ist anstrengend und jemand, der rumnörgelt, wenig hilfreich. Ich werde verkrampft, verliere die Lust. Tanzen wir, um einander dabei zu belehren? Die Tanzlehrerin beobachtet uns. „You wanna teach her?“ Amüsiert baut sie sich neben meinem Tanzpartner auf. „Yes,of course“, erwidert er selbstbewusst. „Oh no, I am the teacher“, stellt sie klar, packt ihn bei den Schultern, bringt ihn in Position. „Wow, fühlt sich das cool an“, lobe ich lächelnd und spüre, wie sich mein Körper entspannt. Mir gefällt die Arbeitsteilung Lehrer-Schüler eigentlich ganz gut. Ich brauche keine Nachhilfe und keinen Imperativ, um mich fallen zu lassen. Wenn mir danach ist, mache ich das von ganz allein..

 

 

"Lass dich einfach fallen...! aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2015

 


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