top of page

Tango Kolumne
Tanguero-Braut

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 41 DER REIHE VON LEA MARTIN

Tangokolumne: Tanguero-Braut

„Du musst so gut sein“, klingelt mir die Stimme eines Tangueros im Ohr, „dass alle Männer, die zuschauen, verrückt nach dir sind.“ Überrascht halte ich inne. Mir würde reichen, wenn einer verrückt nach mir ist. Doch ich spreche es nicht aus. Tangueros, das wissen wir, sind oberflächlich und unverbindlich. Der eine meldet sich mit Hallo, schöne Frau. Der andere macht auf seelenverwandt. Und am Ende?! Ist jede Romantikerin nur einfach frustriert. Ich träume davon, die Braut meines Tangueros zu sein, für die er alles um sich herum vergisst, und bin melancholisch, weil dieser Traum mich beherrscht. So war das. Bis gestern.

 

Jetzt ist Schluss mit der Träumerei. Ich will Tango tanzen. Solamente Tango. Mit Tangueros, die besser tanzen als ich, kann ich leben. Frustrierende Träume aber brauche ich nicht mehr. Also übe ich Konzentration auf mich selbst. Es gibt viel zu lernen, packe ich‘s an. Boleos, Ganchos, es wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinkriegen würde, allein. Bei vielen Technikkursen ist die Teilnahme auch ohne Partner/in möglich. Zum kontinuierlichen Üben brauche ich nur jemanden, der ungefähr mein Level hat und also zu mir passt. Als Tanzpartner. Nicht als Mann. Es macht Sinn, die Ebenen auseinanderzuhalten. Hier Tango. Dort die Sehnsucht nach Liebe. Alles ist möglich, nicht alles tut gut. Ein Tanguero kann unwiderstehlich sein wie Schokolade. Verwirrend süß wie Likör. Die beste Voraussetzung für erfolgreiches Training ist das nicht. Klar gibt es Liebesgeschichten (auch in Berlin), wo sich ein Meister-Tanguero in eine blutige Anfängerin verliebt, bis sie dank seiner Nachhilfe in den Tango-Himmel aufsteigt. Doch für mich steht jetzt etwas anderes an: Träume loszulassen, deren (Nicht-)Erfüllung mich am Üben hindert. Ich muss nicht so gut sein, dass Männer verrückt nach mir sind. Ich will so gut sein, dass ich das Tanzen genieße. Nur ich, die Tango-Musik und mein Körper. It takes two for tango?! Ich genüge mir jetzt erst einmal selbst. Also begebe ich mich in die Niederungen des Technik-Trainings, wo es darum geht, einen Fuß vor den anderen zu setzen, Fehler zu korrigieren und jeden Tag ein bisschen besser zu werden.

 

Mit einem Mann zu üben, den man liebt, kann sehr stressig sein. Weil man jeden Fehler persönlich nimmt und sich viel zu leicht verunsichern lässt. Eigentlich ist alles gut so, wie es ist. Ich übe mit einem Tanzpartner, der eine eigene Tanguero-Braut hat. Und träume erst weiter, wenn der Unterricht vorbei ist. Meinen ganz persönlichen Tango-Traum. 

 

 

"Tanguero-Braut" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2017
Foto: tangokultur.info

 

>>zurück zur Rubrik "Tango-Kolumne"

bottom of page